Sonntag Jubilate: Predigt zu Apostelgeschichte 17: "Wir kleinen streitsüchtigen Götter"

Predigttext: Apostelgeschichte 17, 22-34 (Paulus auf dem Areopag)
Gottesdienst: Sonntag Jubilate
PredigerIn: Dr. Nikolaus Hueck, Pfarrer

"Wir kleinen streitsüchtigen Götter"

Der Predigttext führt uns heute nach Athen,
auf den Spuren des Apostels Paulus.
Und er führt uns nach Augsburg, genau heute.
Fangen wir mit Athen an:
Athen war zur Zeit des Apostel Paulus nicht mehr mächtig,
aber immer noch voller Geist.
Eine selbstbewusste Stadt.
Man ist gewohnt, dass neue Lehren auftauchen
Und man ist Streiten gewohnt.
Die vielen Götterstatuen machen es vor.
Im griechischen Götterhimmel ging es ja auch alles andere als friedlich zu.
Eine neue Lehre, ein neuer Gott: Das ist noch lange kein Grund zur Aufregung.
Wer hier spricht - der muss überhaupt erst einmal erreichen, dass die Menschen ihm zuhören. Vielleicht ist das gart nicht so viel anders als bei uns heute. Wenn wir von unserem Glauben sprechen, treffen wir ja viel weniger auf Widerstand als früher. Dafür viel mehr auf pures Desinteresse.

Aber Paulus spricht so, dass man ihm zuhört.
Was er von einem gewissen Jesus Christus und dessen Auferstehung sagt, das ist so ungewöhnlich, dass die Athener neugierig werden.
Sie bitten ihn, das ausführlicher zu erzählen.
So steht also Paulus auf dem berühmten Areopag.
Dort, wo das geistige Herz der Stadt schlägt.
Er schaut in eine Menge von neugierigen, skeptischen, vielleicht auch ein bisschen spöttischen Gesichtern.

Wie redet man in einer solchen Situation von seinem Glauben?
Wie redet man von seiner Hoffnung auf die Auferstehung?
Wie spricht man so von seinem Glauben, dass etwas ankommt bei den Zuhörern?
Bei den Athenern, die eigentlich doch schon alles kennen, alles wissen, und sich kaum noch von irgendetwas beeindrucken lassen?

Paulus gelingt das meisterhaft.
Er spricht die Sprache seiner Zuhörer, er lässt sich auf sie ein, er knüpft an an ihre Gedankenwelt.
Und genau dadurch macht er ihnen sehr klar und deutlich,
was so neu ist am Glauben an Jesus Christus.
Was so ganz anders ist an diesem Glauben.

Für die Athener damals war das, was Paulus gesagt hat, gut verständlich.
Wir heute müssen ein wenig genauer zuhören.
Trotzdem glaube ich:
Was Paulus sagt - und vor allem: wie er es sagt - könnte für uns heute Vorbild sein.
Denn auch wir müssen immer wieder Worte finden für unseren Glauben.
Für unseren Glauben, der vielen Menschen fremd geworden ist - oder einfach egal.

Ich lese aus der Apostelgeschichte, Kapitel 17:

Paulus stand mitten auf dem Areopag und sprach:
Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt.
Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar,
auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott.
Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt.

Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.
Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen wie einer, der etwas nötig hätte,
da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt.
Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht,
damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen,
und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen,
damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten;
und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns.
Denn in ihm leben, weben und sind wir;
wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts.
Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht.
Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen;
nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun.
Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.

Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten;
die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiterhören.
So ging Paulus von ihnen.
Einige Männer schlossen sich ihm an und wurden gläubig;
unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat,
und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.

Nein, Paulus hat mit seiner Rede nicht ganz Athen auf einmal überzeugt.
Nicht alle, die ihn damals hörten, sind ihm gefolgt.
Aber einige. Und mehr hat er wohl kaum erwarten können.

Was mir an dieser Rede besonders gut gefällt:
Paulus wirbt für seinen Glauben, aber er stößt niemanden vor den Kopf.
Er tritt nicht besserwisserisch, nicht belehrend, nicht mit erhobenem Zeigefinger auf.
Er sagt nicht: Hier wir Christen - dort Ihr Ungläubigen.
Er sagt: Wir alle - alle Menschen - haben ein Bedürfnis nach Halt in unserem Leben.
Wir alle suchen nach Gott. Vorsichtig und tastend und oft an den falschen Stellen - aber wir suchen.
Auch ihr Athener meint es Ernst mit Eurer Religion.
Das sehe ich, wenn ich durch Eure Straßen gehe und die vielen Götterstatuen betrachte.

Wir alle sehnen uns nach etwas, das wir auf der Erde nicht wirklich finden.
Das liegt daran, dass es Gott war, der uns geschaffen hat.
Und noch mehr: Er hat uns nach seinem Bild geschaffen.

Wir alle - wir alle Menschen - haben deshalb etwas Göttliches in uns.
Und deswegen leben wir nicht dumpf vor uns hin.
Sondern schauen nach oben, erwarten uns etwas von unserem Leben.

Diese Erwartung teilen wir alle:
Paulus. Und die Athener, die vor ihm stehen.
Und auch wir hier in Augsburg, die wir seine Rede 2000 Jahre später lesen.
Christen, Muslime, Juden, auch die Menschen, die an keinen Gott glauben.
Wir alle sehnen uns nach etwas, das unserem Leben eine gute Richtung gibt.

So sind wir Menschen. Eigentlich doch ganz gut.
Aber in Wirklichkeit sind wir dann oft ganz anders.
Unsere Sehnsucht nach Liebe und nach Anerkennung führt uns leider nicht immer nur die guten Wege.

Wir bauen uns Bilder aus Gold und Silber und Stein, sagt Paulus.
Und wir meinen, dass wir damit Gott näher kommen.
Dass wir damit dem guten Leben näher kommen.

Wir bauen uns Ideologien aus stahlharten Gedanken.
Und hoffen, damit auf der richtigen Seite zu stehen.
Wir würden es doch so gerne richtig machen.
Wir würden doch so gerne fühlen, dass wir dem guten und dem richtigen Leben näher kommen.
Und es passiert ganz leicht, dass wir uns genau deswegen davon entfernen.

Wir bekämpfen die anderen, weil wir uns selbst für die Guten, die Gerechten, die Überlegenen, ja: auch die besseren Christen halten.
Unsere Sehnsucht nach dem gelingenden Leben ist so groß, dass wir immer mehr davon haben wollen. Mehr von allem haben wollen: Mehr Anerkennung, mehr Status, mehr Platz in dieser Welt, mehr Bewunderung.
Wie leicht ist es dabei, die anderen aus dem Auge zu verlieren.
Die anderen Menschen.
Auch die Natur um uns herum.
Aus der Sehnsucht nach Liebe für uns wird sehr schnell Lieblosigkeit gegenüber den anderen.
Wir machen diese Welt kaputt, nicht weil wir alle böse wären.
Sondern weil wir eine unstillbare Sehnsucht haben.
Es ist nicht leicht, Gottes Ebenbild zu sein, etwas Göttliches in sich zu spüren.
Wir Menschen sind davon schnell überfordert.
So großartig wir sein können, so grausam sind wir eben auch oft.

Und genau deshalb hat Gott Jesus Christus auf die Erde gesandt, sagt Paulus.
Weil er nicht mehr mitansehen konnte, wie seine Menschen sich quälen, sich selbst quälen, andere quälen.

In Jesus Christus hat er gezeigt, was ein gelingendes Leben, ein Leben mit Gott sein kann.
Was es heißt, auf Gott zu vertrauen.
Was es heißt, wirklich zu lieben.

So will Gott uns zu einem neuen Leben locken.
So will Gott uns zu einer neuen Liebe locken.
Er will unsere großartige Seite hervorholen.
Und uns unsere grausame Seite ausreden.

Gott will uns unsere Sehnsucht nach dem gelingenden Leben nicht austreiben.
Aber er will, dass wir sie bei ihm stillen.
Er bleibt dabei, dass wir zu ihm gehören. Für immer.
"er ist nicht ferne von einem jeden unter uns", sagt Paulus.
"Denn in ihm leben, weben und sind wir"
Das ist das Wichtigste.
Ihr müsst nichts mehr werden, sagt Paulus.
Ihr seid schon alles, was man sein kann:
Gottes Geschöpfe, Gottes Ebenbild. Mehr geht nicht.

Aber lebt bitte auch danach.
Dann ist eine andere Welt möglich.
Eine Welt im Frieden.
Eine Welt, in der wir uns nicht aufspielen, wie kleine streitsüchtige Götter.
Sondern wie Menschen, die von Gott gelernt haben, was Liebe ist.

So spricht Paulus zu den Athenern.
Er wirbt für seinen Glauben.
Aber er nimmt gleichzeitig den Glauben seiner Zuhörer ernst.

Wie Paulus auf dem Areopag predigt, das ist das glatte Gegenteil von oberlehrerhaft oder besserwisserisch.

Und genauso könnten auch wir heute mit den Menschen in Augsburg reden.
Indem wir uns auf die Menschen einlassen.
Nicht alles immer gleich besser wissen.
Indem wir verstehen statt beurteilen.
Indem wir verständlich sprechen.
Ich jedenfalls würde es gerne so können wie Paulus.

Denn das, was wir selbst erfahren haben und jetzt weitergeben wollen,
Gottes Angebot für ein neues Leben,
das ist es mehr als wert.

Und der Friede Gottes,
der höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus,
Amen.