Sonntag Cantate: Predigt Lukas 19,37-30

Predigttext: Lukas 19,37-40
Gottesdienst: Sonntag Cantate
PredigerIn: Dirk Dempewolf, Pfarrer

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

von Kindern kenne ich das: Mitten im Spielen fangen sie plötzlich an zu singen. Sie singen irgendwelche Lieder, die ihnen gerade einfallen, unsere gern Weihnachtslieder. Es bricht aus ihnen heraus, sie können nicht mehr still sein und wissen vielleicht nicht einmal warum. Irgendwie ist alles gut und ihr Herz öffnet sich und will hörbar werden.

Manchmal gibt es solch Situationen auch bei Erwachsenen. Nur singen die lieber, wenn es kein anderer hört, die Frau allein zuhause ist, der Mann für sich in der Dusche. Alles ist gut und mit der Musik, die sich Bahn bricht, wird daraus Glück, das hörbar wird.

So muss es den Jüngern vor Jerusalem gegangen sein. Sie hatten so vieles unglaubliches mit Jesus erlebt, fühlten sich Gott und ihrem Ziel vor den Toren Jerusalems so nahe und dann reitet Jesus, wie der lange ersehnte messianische König, auf einem Esel in die Stadt. Da hält sie nichts mehr und sie stecken andere an. Es wird laut, für manche zu laut.

Im Evangelium nach Lukas Kapitel 19 lesen wir die Verse 37 bis 40:
So kam Jesus zu der Stelle, wo der Weg vom Ölberg nach Jerusalem hinabführt. Da brach die ganze Schar der Jüngerinnen und Jünger in lauten Jubel aus. Sie lobten Gott für all die Wunder, die sie miterlebt hatten. Sie riefen: »Gesegnet ist der König, der im Namen des Herrn kommt! Friede herrscht im Himmel und Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhe!«
Es waren auch einige Pharisäer unter der Volksmenge. Die riefen ihm zu: »Lehrer, bring doch deine Jünger zur Vernunft!« Jesus antwortete ihnen: »Das sage ich euch: Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien!« Amen

Die neue Zeit, der neue Morgen bricht für die Jünger an und sie wissen noch nicht wie und mit welchem Opfer. Aber alles ist gut. Endlich. Ihre Herzen öffnen sich, sie schwingen sich ein und singen die alten Worte aus Psalm 118. Jetzt ist der Tag des Heils, jetzt beginnt Gottes Reich.

Und während der Gesang immer kräftiger und auch von weitem schon vernehmbar wird, stellen sich Pharisäer, mit denen Jesus so manches Streitgespräch geführt hat, auf seine Seite und raten ihm, dass seine Jüngerinnen und Jünger doch lieber schweigen und nicht so euphorisch singen und jubeln sollen. Je weniger Aufsehen um seine Person gemacht wird, desto sicherer wäre er vor verdächtigen Blicken der römischen Besatzungsmacht.

Aber wie so oft erstaunt Jesus mit seiner Antwort wieder einmal alle. Nein. Sie sollen weiter singen. Vom Frieden Gottes und von seiner Herrlichkeit. Alle sollen es hören. Wenn die Jünger schweigen werden die Steine des Tempels ihren Gesang übernehmen. Weist Jesus die Pharisäer zurecht oder ist sein Wort geprägt von Humor? Was sein muss, muss sein. Wie werden die Steine klingen? Wie Kreide auf der Schultafel? Da hört man doch lieber die Jüngerinnen und Jünger singen.

Manchmal kann und darf man eben nicht schweigen, da muss man sagen und singen. Wes das Herz voll ist, dem geht der Mund über. Noch haben die Jünger den Weg Jesu nicht verstanden, aber sie wissen, was sie mit ihm erlebt haben. Neues bricht an, wie ein neuer Tag und er zeigt so sehr Gottes Spuren und, dass alles gut sein wird.

Auch in heutigen Liedern bricht sich das Lob des Schöpfers seine Bahn.
Morning has broken ein altes Volkslied, von Cat Stevens gesungen und zum Hit gemacht, seit 1994 auch in unserem Gesangbuch als 455 Morgenlicht leuchtet rein wie am Anfang. Der neue Tag bricht an in der ganzen Schönheit eines frühen Sommermorgens mit der satten Feuchtigkeit über dem Acker und der ersten Wärme eines klaren Tages. So wie dieser Sommertag anbricht, bricht das Reich Gottes an, wie im Paradies des Anfangs und es hält weder die Amsel noch die Sänger, das Schöpferlob will gesungen sein, denn alles ist gut, weil der Schöpfer gut ist.

Oder das Lied 99 Christ ist erstanden 900 Jahre alt, das Titellied zu Ostern, den Text hat man nach dreimal singen auswendig im Kopf und im Herzen. Es ist eine Melodie, die mitzieht vom Tod zum Leben, ein Text, der nicht klarer sein könnte. Mit der Auferstehung Christi erhebt das neue Leben durch und in Gott sein gemartertes Haupt und in der Dunkelheit des Todes leuchtet das Licht ewigen, unauslöschlichen Lebens. Singen möchte man und fliegen mit Gott, dem Herrn, über seine wundergare Schöpfung.

Wir leben alle in einer Zeit, die wir uns nun wirklich nicht ausgesucht haben. Wir befinden uns in einer Pandemie. Wir sind inmitten einer großen Zerreißprobe unserer Gesellschaft, in der die einen sich permanent über Einschränkungen beschweren, aber noch nie auf einer Intensivstation Schichtdienst hatten, und die anderen das Gefühl haben, die gesamte Last der fordernden Zeit alleine tragen zu müssen. Und dann sind wir noch mittendrin in unserem eigenen Leben, in dem der Alltag oft so mühsam und anstrengend geworden ist.

Es gibt viele Möglichkeiten, sich immer wieder Hoffnung zukommen zu lassen. Eine davon ist das Singen. Dazu muntert uns der heutige Sonntag Kantate auf, auch wenn wir in unseren Gottesdiensten heute nicht singen können. Dafür will uns dieser Sonntag neue Begeisterung für das Singen wecken, auch wenn manch eine von uns das Gefühl hat, gar nicht mehr richtig singen zu können, weil man es eben schon so lange nicht mehr gemacht hat und sich fragt, ob man es denn überhaupt noch kann.

„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“ (Psalm 98,1), so sagt es der Wochenspruch trotzig für diese Woche.

Ich denke: Singen hat für das psychische Befinden eines Menschen einen unschätzbaren Wert. Musiktherapeuthen könnten abendfüllende Vorträge halten, wie sich das Singen besonders wirksam und heilend auf alle körperlichen und geistigen Kräfte auswirkt. Das Singen und die Musik sind eine Therapie für Menschen, die ihre Gefühle manchmal nicht so zeigen können, für Kinder zur Freisetzung ihrer spielerischen Ausdrucksmöglichkeiten, für ältere Menschen zur körperlich-geistigen Wiederbelebung, für stressgeplagte Personen zur Entfaltung von Kreativität und Spaß am Spiel. Wer in einem Chor singt, weiß das.

Das Singen gibt uns für einen Moment die Leichtigkeit zurück. Es ist die Leichtigkeit des Moments, in dem man sich bei Gott geborgen fühlen darf, weil das Singen und alle Musik ein so starkes Gewicht besitzen, dass sie alle Ängste binden und vertreiben können. Jedenfalls für einen Moment. Oder für einen Tag. Vielleicht auch für eine ganze Woche.

Martin Luther hat es einmal so formuliert. „Die Musik ist die beste Gottesgabe. Durch sie werden viele und große Anfechtungen verjagt. Musik ist der beste Trost für einen Menschen, auch wenn er nur ein wenig zu singen vermag …“.

Ja, das stimmt. Die Musik ist ein Trost.

Für die Jüngerinnen und Jünger Jesu war das Loben Gottes an diesem Tag es Einzugs in Jerusalem ein besonderer Moment, weil sie sich in diesem Moment Gott ganz nah verbunden gefühlt haben. Weil einmal alles gut war, in einer Zeit in der wenig für wenige gut war. Psalm 118 war da ihr Trostlied, ihr Freudenjubel, auf ihrer Playlist der Trostlieder ganz oben.

Und alle Lieder, die wir auf unserer „Trost-Playlist“ auf dem Handy oder im Kopf gespeichert haben, geben uns – manchmal nur für einen Augenblick – die Zuversicht, dass es ein großes Gegengewicht zu allen Sorgen gibt. Dass nicht wir das letzte Wort haben, sondern der, der das erste hatte: Es werde und es wurde – sehr gut. Ist das kein Grund zu singen? Auf dem Weg nach Hause, in der Küche oder im Bad, im Wald oder in der Stadt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Danke an den Kollegen Thomas Volk für Inspiration.