Sonntag Reminiszere: Predigt zu Jesaja 5

Predigttext: Jes 5,1-7
Gottesdienst: Sonntag Reminiszere, 28. Februar 2021
PredigerIn: Dirk Dempewolf, Pfarrer

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

über das Umfeld und die Situation, in denen der Prophet Jesaja spricht, erfahren wir fast nichts. In den Büchern sind Reden von ihm aneinandergereiht, stehen unverbunden jede für sich. Jesajas Reden sind sehr bildlich, nahe am Leben der Menschen, an ihrem Alltag und ihrer Kultur. Sie nehmen Themen und Melodien aus der Volkskultur auf und nehmen sie in den Dienst Gottes. Sie verknüpfen Gottes Wort mit der Welt der Menschen. So auch der Predigttext von heute aus dem Buch des Propheten Jesaja im 5. Kapitel:

Wohlan, ich will von meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte.
Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg! Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?
Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er kahl gefressen werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.
Des HERRN Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.
Amen

Jesaja singt. Er singt ein trauriges Liebeslied über eine Liebe, die nicht funktioniert hat. Einer hat viel investiert in diese Liebe, aber sie will keine Früchte tragen, kommt nicht beim anderen an. Das Volk wird aufgehorcht und zugehört haben und wird in die unglückliche Liebe mit hineingezogen, wird an eigene tragische Liebesgeschichten erinnert.

Aus der Klage über die fruchtlose Liebe wird Wut. Der Liebende wendet sich gegen die unerreichbare Geliebte und wünscht ihr alles Unglück dieser Welt an den Hals. Auch hier werden die Zuhörer noch dabei gewesen sein, werden ihre Gefühle und ihre Situation im Lied des Propheten wiederentdecken.

Der Prophet hat seine Zuhörer in die Geschichte einer fruchtlosen Liebe hineingezogen. Er hat sie in der Hand. Ich stelle mir vor, dass er aufhört zu singen, seine Zuschauer anschaut und ihnen die Auflösung seines Liedes präsentiert. Der verzweifelt Liebende ist Gott, seine fruchtlose Liebe sind die Zuhörer.

Weil die Worte von den Prophetenschülern einfach nur aneinandergereiht aufgeschrieben wurden, erfahren wir Leserinnen und Leser nicht, wie die Worte bei den Zuhörern seiner Zeit angekommen sind. Wie haben die reagiert?
Waren sie betroffen?
Haben sie sich veräppelt gefühlt?
Wie gingen sie mit der Kritik des Propheten an ihrer Lieblosigkeit gegenüber Gott und gegeneinander um?
Haben sich einzelne verändert?
Zeigte ihr Glaube doch noch Frucht im Leben der Gesellschaft?
Wir wissen nur, was Jesaja gesagt hat und dass es Jünger gab, die das aufgeschrieben haben.

Gott hat nicht nachgelassen in der Zeit Jesajas mit seinem Volk Kontakt aufzunehmen, für sich zu werben und dem Volk Gutes zu wünschen. Der Taufsprich von Amelie Aritina in Jesaja 43 springt von der Klage zu einem erneuten Liebesversprechen Gottes: Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Die Propheten bewegen sich in dieser Bandbreite menschlicher Emotionen von Enttäuschung zu einem Treueversprechen, von Liebe zu unbändiger Wut und immer wieder zurück zur Werbung Gottes für Neuanfänge in der Beziehung der Israeliten zu ihrem Gott. Manche hat Gott damit erreicht und zu sich umgekehrt, viele haben nicht gehört, haben die Einladung zu Vertrauen und Liebe nicht verstanden. Es ist als spräche Gott die falsche Sprache.

Wie zeigen Sie Ihrem Goldfisch, dass Sie ihn mögen?
Gehen Sie ganz nahe ans Glas heran und sprechen mit ihm?
Geben Sie ihm teures Futter, immer frisches Wasser und Spielgefährten mit ins Becken?
Wenn ein Goldfisch weiß, was Liebe ist, versteht er Ihr Anliegen, sie ihm zu zeigen?
Er spricht kein Menschisch, Futter und Wasser sind für ihn selbstverständlich, nicht besonders.
Um mit den Goldfisch seine Sprache zu sprechen und ihn mit Ihrer Zuneigung zu erreichen, müssen Sie ein Goldfisch werden oder mit seinem Desinteresse an Ihnen klarkommen. Wir können das nicht. Gott kann.

In Jesus Christus ist er Mensch, zeigt sein Gesicht, seinen Charakter, spricht unsere Sprache, wirbt in den Bildern unserer Welt für Liebe und Vertrauen und gibt nicht auf, dies zu tun. Bei Jesus hat der Weinstock, der nicht tragen will, noch einmal eine Chance und besondere Pflege verdient. Dann sollte er endlich Frucht zeigen.

Jesus spricht sogar von sich selbst im Johannesevangelium Kapitel 15 als Weinstock, der uns erlaubt, wie die Reben an ihm zu wachsen, wenn wir von uns selbst aus keine Frucht geben können. Aus ihm kommt die Kraft, wir dürfen sie in uns einfließen lassen, dürfen sie nutzen, um Frucht zu bringen in dieser Welt. Die Verbindung der Rebe zum Weinstock bleibt über den Tod hinaus bis ins Leben bei Gott bestehen. Der Weinberg muss nie wieder unfruchtbar sein. Sein Pflanzer nie wieder unzufrieden.

Die Passionszeit ist eine Zeit der Orientierung darauf, woher die Kraft kommt aus der wir Frucht bringen. Wie sind wir verbunden mit dem Weinstock, mit der Quelle des Lebens? Verzichten muss man nicht in dieser Zeit, gerade in diesem Jahr nicht, aber orientieren kann man sich. Gott hören im Menschen Jesus und die Liebe Gottes zu seiner Schöpfung zu uns spüren.
Wie geht es nach Ostern weiter in unserem Leben?
Wie geht es nach Corona weiter mit unserem Land? Unserer Welt?
Welche Frucht werden wir einzelnen Christen, werden wir als Kirchen bringen in den Neuanfängen dieser Zeit? Werden wir versöhnen, zum Gespräch einladen, neu miteinander anfangen?
Werden wir im gläsernen Aquarium im Kreis schwimmen oder Gott hinausfolgen an die Orte dieser Welt, die uns brauchen?
Werden wir uns erinnern, dass am Anfang unseres Lebens nicht die Enttäuschung stand, sondern das Versprechen Gottes:
Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen