Sonntag Sexagesimä: Predigt zu Lukas 8

Predigttext: Lk 8,6-12a
Gottesdienst: Sonntag Sexagesimä, 7. Februar 20021
PredigerIn: Gabi Kastaniotis, Prädikantin

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Heute ist in der Begrüßung ein Satz gefallen, der streng genommen so nicht richtig war. Ich habe nämlich gesagt, es würde heute im Gottesdienst um das Wort Gottes gehen. Das könnte man ja gerade so auffassen, als wäre das sonst nicht der Fall. Dabei ist es für mich wirklich unbestritten, dass es in jedem unserer Gottesdienste um das Wort Gottes geht. Das Hören der Bibellesungen und die Auslegung des Predigttextes nimmt in unserer lange bewährten Gottesdiensttradition zu Recht einen großen und wichtigen Raum ein.

Manchmal wenn im Gottesdienst sitze, weiß ich schon, wenn die Predigt beginnt, welcher Predigttext mich erwartet. Meistens warte ich aber gespannt, was da so auf mich zukommt. Das kann dann ein Text sein, der sofort Bilder, Assoziationen und Verstehen in mir erzeugt – aber auch Fragezeichen. Heute hören wir einen Predigttext, der beides kann.

Der Evangelist Lukas erzählt uns ein Gleichnis von Jesus. Die bildhafte Erzählweise der Gleichnisse erzeugt ja gerne das eine oder andere Fragezeichen. Wenn man in diesem Fall aber noch ein paar Verse weiterliest, überliefert uns Lukas auch, wie Jesus seinen Jüngern dieses Gleichnis erklärt hat.

Hören wir uns jetzt also an, was uns Lukas im 8. Kapitel seines Evangeliums berichtet.

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu ihm eilten, sprach er durch ein Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute. Er aber sprach: Euch ist's gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Reiches Gottes, den andern aber ist's gegeben in Gleichnissen, dass sie es sehen und doch nicht sehen und hören und nicht verstehen.

Das ist aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber an dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: Wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Sie haben aber keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht zur Reife. Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Das Wort Gottes als Same, der ausgesät wird, und die Menschen als der Boden auf den Gottes Same, Gottes Wort fällt. Vier verschiedene Böden werden uns da vor Augen geführt. Vier verschiedene Konstellationen bei den Menschen, auf die Gottes Same, auf die Gottes Wort trifft. Und ich frage mich unwillkürlich: welche Art von Boden bin ich? Was für ein Mensch bin ich?

Jesus zeigt uns hier vier Wege, wie es weitergehen kann, nachdem der Same gesät ist. Vier Wege, vier Menschengruppen.

Dass die Menschen in vier Gruppen, in vier Typen eingeteilt werden, ist mir in anderem Kontext schon mehrmals begegnet. Im Laufe der Jahre habe ich in Fortbildungen und Büchern verschiedene Modelle kennengelernt, die Menschen in Gruppen einzuteilen und immer waren es vier. Die Intention war dort natürlich eine ganz andere. Ziel von Denkmodellen zu Menschentypen ist für gewöhnlich, sich selbst und die anderen besser kennenzulernen, zu verstehen und somit den Umgang miteinander zu erleichtern.

Erst kürzlich ist mir diese Thematik wieder einmal begegnet. Ich war per Zufall im Internet auf das Video eines Vortrags von einem Sprecher namens Tobias Beck gestoßen. Ich habe mir das Video ein Stück weit angesehen und merkte ziemlich schnell, dass mir das Modell, um das es ging, schon bekannt war. Es handelte sich um die Temperamentenlehre, die dem griechischen Arzt Hippokrates aus dem 5. Jahrhundert vor Christus zugeschrieben wird. Irgendwie also ein alter Hut. Ich blieb trotzdem bis zum Ende des Vortrags dabei, denn ich fand, dass der Sprecher die vier Menschentypen unterhaltsam und humorvoll vorstellte. Die Beschreibungen waren sehr plakativ, zugegeben auch etwas oberflächlich und total überzeichnet, dadurch aber auch sehr einprägsam.

Neu in dem Vortrag war für mich, dass der Redner jedem der vier Menschentypen ein Tier zuordnete.

Das erste Tier war der Wal und Tobias Beck sagte, der Wal sei mit EINER Frage in seinem Kopf auf die Welt gekommen: Was hat die Welt davon, dass es mich gibt? Er ist der Kümmerer, der Gerne-Helfer, der sich immer darum bemüht, dass es den Menschen um ihn herum gut geht. Das treibt ihn an. Wenn Sie einem Wal erzählen, dass Sie umziehen werden, dann wird er am Umzugstag da sein, um zu helfen, und er wird das dabei haben, was bei einem Umzug nützlich ist: Essen und Trinken und vor allem andere Wale.

Das zweite Tier war der Hai, der Gegentyp zum Wal. Er dreht die Frage des Wals um zu einer anderen Frage: Was habe ich davon, dass es die anderen gibt? Er ist der Macher, der weiß, was er will und wie er es bekommt und er gibt sich niemals mit dem nächstbesten zufrieden.

Das dritte Tier war der Delfin. Er ist ein Freund von Spaß und Party und bei ihm muss sich immer etwas rühren muss. Es darf nie langweilig werden. Er macht das Leben bunt.

Und dann kam noch das vierte und letzte Tier. Vollkommen überraschend war es nach Wal, Hai und Delfin die Eule. Tatsächlich hieß es in dem Vortrag, dass an dieser Stelle immer die Frage käme, warum denn nach drei Wassertieren plötzlich ein Vogel auftauche und das – so Tobias Beck – sei eine Eulenfrage. Die Eulen sind die, die alles hinterfragen, die immer alles genau wissen wollen und die immer perfekt vorbereitet und für alle Eventualitäten gewappnet sind.

Soweit die sehr verkürzte Darstellung des Vortrags. Auch der Vortrag selbst war eine verkürzte Darstellung der Lehre von den Temperamenten. Aber ob verkürzte Darstellung oder nicht, mancher wird sich vielleicht auf den Standpunkt stellen, dass das doch Quatsch ist. Die Menschen sind so unterschiedlich. Man wird ihnen mit einem solchen Raster doch nicht gerecht und deshalb ist eine solche Methode nicht brauchbar und nicht hilfreich.

Es stimmt, dass ein einfaches Raster mit vier Typen, den Menschen nicht gerecht wird und sie nicht umfassend beschreibt. Aber als Denkmodell kann es ein Hilfsmittel sein, vor allem da, wo wir mit jemanden umgehen müssen, der so vollkommen anders tickt als wir selbst. Nicht hilfreich ist es als Korsett, das einen Menschen in eine Rolle pressen und auf nur eine Rolle festlegen will. Jeder Typ ist in jedem Menschen vertreten, nur halt in unterschiedlich starker Ausprägung.

Ich könnte mir vorstellen, dass es sich auch in der Frage, welche Art Boden ich bin, ähnlich verhält. Bei der Beurteilung meiner „Bodenbeschaffenheit“ ist Vorsicht geboten. Zu meinen, nur weil ich regelmäßig im Gottesdienst sitze und mich mit Gottes Wort beschäftige, sei ich auch guter Boden, der hundertfach Frucht bringt, wäre wohl etwas selbstgefällig. Ganz so einfach will ich es mir nicht machen. Einfach haben es sich auch die Jünger Jesu nicht gemacht und genau deshalb hat sich ihnen das Gleichnis erschlossen. Anders als die meisten in der Menge, die das Gleichnis gehört hatte, wollten sie mehr wissen, haben nachgefragt und daraufhin das Gleichnis von Jesus erklärt bekommen.

Auf der anderen Seite will ich mich aber auch nicht als generell unbrauchbaren Boden abstempeln, weil ich das, was ich beim Hören und Lesen von Gottes Wort erkenne, nur bedingt in meinem Leben umgesetzt bekomme.

Ich denke vielmehr, es ist ähnlich wie bei den Menschentypen. So wie ich von Wal, Hai, Delphin und Eule etwas in mir habe – in welcher Mischung auch immer –, so bin ich nicht nur eine Art Boden. Keiner von uns ist nur Weg, auf dem alles zertreten wird und nichts wachsen kann. Keiner ist immer nur Boden, auf dem zwar der Same aufgeht, aber von den Dornen erstickt wird. Wir sind auch nicht permanent wie der Fels, auf dem der Same keine Wurzeln schlagen kann, genauso wie wir nicht generell Boden sind, der hundertfach Frucht bringt.

Welche Art Boden wir sind, ist meines Erachtens nicht immer gleich. Es hängt vom Zeitpunkt ab und ich denke, es hängt auch ein Stück weit vom Samen ab, der in uns fällt. Nicht jedes Wort wird in jedem von uns gleich gut keimen können.

An dieser Stelle bin ich froh; froh, dass es auf mich nur sehr bedingt ankommt, weil - wie wir heute in der Lesung gehört haben - das Wort, das aus Gottes Mund geht, nicht wieder leer zurückkommt, sondern tut, was ihm gefällt, und es gelingt ihm, wozu es ausgesendet wird. Und ich bin froh, dass Gott sein Wort so großzügig aussät, obwohl er weiß, dass der eine oder andere Same nicht aufgehen wird. In unserer auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit getrimmten Welt würden die Samenkörner geschützt in ein Töpfchen und sehr gezielt in DEN Boden gesetzt werden, der das Aufkeimen und Wachsen am ehesten erwarten lässt und den größten Nutzen verspricht. Gott aber sät großzügig.

Für uns heißt es lediglich, sein Wort im Herzen zu bewahren, mit Interesse und Hartnäckigkeit dranzubleiben am Wort Gottes. IRGENDWANN mit Geduld fällt dann auch ein Wort, das bisher auf Stein gefallen war, auf den richtigen Boden, schlägt Wurzeln und bringt Frucht. Hundertfach.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.