Sonntag Judika: Predigt zu Hiob 19

Predigttext: Hiob 19,19-24
Gottesdienst: Sonntag Judika, 21.03.2021
PredigerIn: Dirk Dempewolf, Pfarrer

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde, mag Hiob gedacht haben. Von seiner Familie ist nur noch seine Frau am Leben, sein Reichtum ist gestohlen und er wird von einer Krankheit geplagt. Seine drei Freunde Elifas, Bildad und Zofar hören davon und kommen, um ihm beizustehen, zu trösten und nach Sinn zu suchen. So wird aus freundschaftlicher Unterstützung eine Suche nach dem Anteil Hiobs an seiner Situation. Wie hat er verdient, was er bekam? Hiob besteht darauf, unschuldig zu sein und die Freunde wiederholen ihre Schuldzuweisungen immer wieder. In diesem Kreisen um den Sinn seines Leidens findet Hiob drastische Worten für seine Situation. Im Buch Hiob lesen wir in Kapitel 19 die Verse 19 bis 27:
Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich liebhatte, haben sich gegen mich gewandt. Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und nur das nackte Leben brachte ich davon. Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, ihr meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen! Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch? Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel und mit Blei für immer in einen Felsen gehauen!
Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust. Amen

Seine Frau und seine Freunde haben sich gegen ihn gestellt. Sie beharren auf seiner unbekannten Schuld und raten ihm sich in sein Schicksal zu ergeben und zu sterben. Hiob bittet die Freunde um Erbarmen, weil Gott ihn getroffen habe mit diesem Leiden und er brauche nicht auch noch ihre Anklagen. Sie sollten ihn nicht treffen wie Gott, sondern sollten Erbarmen haben mit ihm. Er sei nur noch Haut und Knochen und selbst wenn er nur noch Knochen sein wird, wird er glauben, dass sein Erlöser, der ihn aus dieser Situation befreit, lebt. Das ist seine Hoffnung, die Sehnsucht seines Herzens.

Diese Sehnsucht, dieses Wissen sind nichts, was in der Phantasie von Hiob existiert, sondern sie sind wirklicher Teil seiner Welt. Der Welt eines gläubigen Menschen. Wann der Erlöser kommt und wie, bleibt bei Hiob offen.

Wie Hiob entwirft jeder von uns sein eigenes Weltbild und beschreibt damit, wie er das Leben, Gott und die anderen Menschen sieht. Ich fand für dieses Weltbild das Bild des Puzzles. Die Puzzleteile sind Erfahrungen, Geschichten, Leiden und Freude, Glück und Liebe, Siege und Niederlagen, Alltag und Festtag. Sie sind bunt oder grau, einfach einzupassen oder warten noch auf das Teil, an das sie passen.

Manche Menschen haben ein Weltbild, das einem Puzzle in einem festen Rahmen gleicht. Gott ist dieser Rahmen und in diesem Rahmen bewegt sich ihr Leben. Die Puzzleteile sind genau quadratisch und gleich groß. Auf der rechten Seite des Bildes ist es hell. Hier finden sich diese Menschen wieder. Auf der linken Seite ist es dunkel. Hier finden sich alle Feinde dieser Menschen. In dem schmalen grauen Bereich dazwischen sind Freunde und Familie. Jede Erfahrung, die diese Menschen machen, wird in die quadratische gleich große Form geschnitten und rechts oder links im Bild einsortiert, so dass es nicht über den Rahmen hinausgeht. Wie das Bild aussieht ist eigentlich von vornherein klar definiert. Überraschungen, Besonderes im Leben wird zurechtgeschnitten und eingepasst oder außen vor den Rahmen gelegt.

Hiob hat gelernt, dass sein Lebenspuzzle keinen Rahmen mehr hat. Gott selbst hat ihn zerbrochen, indem er Hiobs Unglück zuließ. Nun baut Hiob immer neue Puzzleteile, die er von Gott empfängt, irgendwo an, ohne zu wissen, wie das Bild seines Lebens einmal aussehen wird. Dabei ist er ganz sicher, dass irgendwann das Puzzleteil mit dem Erlöser kommen wird, das das ganze Bild erneut grundsätzlich verändern wird, es wieder schön macht, ihm Fleisch und Leben zurückbringt.

Jeder Mensch macht sich ein Bild seiner Welt. Manche sind klein, eng, schwarz-weiß, vorhersehbar, so wie das Weltbilder der Freunde des Hiob. Manche sind nur Puzzleteile, die ungeordnet auf einen Haufen geworfen wurden und kein Bild ergeben, wie bei der Frau Hiobs, die keine Lust hat, das Bild zusammen zu setzen. Manche aber verstehen die Puzzleteile als Gabe Gottes und das Bild als eine gemeinsame Arbeit von ihm und mir.

Der Rahmen ist der unendliche Gott, ist ein größeres Puzzle aus dem Leben aller Kreaturen. So passen wir die Teile unseres Lebens in das große Ganze ein, manchmal passt es sofort, manchmal erst nach langer Zeit und genug Abstand. Manchmal legt Gott uns auch sein Bild dazu, das Bild des Erlösers und es passt direkt an Teile unseres Leidens, manchmal erst nach einiger Zeit.

Auf dieses Bild des Erlösers wartet Hiob und er weiß, es wird kommen, weil er weiß, dass es dieses Erlöserteil gibt. Dieses Teil, das ein neues Bild eröffnet oder ein altes abschließt, eine neue Farbe oder Form in das Bild trägt und einzelne Bilder miteinander verbindet. Dieses Puzzle hat keine Randstücke, leider, sie helfen mir immer den Rahmen des Bildes zu puzzeln. Randstücke sind aber auch das Ende des Bildes, dahinter geht es nicht weiter. Hiobs Puzzle hat keine Randstücke, kein Ende. Überall an allen Seiten und mittendrin, kann der Erlöser kommen und dann geht es doch noch weiter, selbst das Todesteil ist kein Randstück, sondern trägt schon die Farbe der Herrschaft Gottes an seinem Rand und eine Nase oder Bucht, an der wieder etwas angebaut werden kann.

In die begrenzten Teile meiner Welt heute gibt Gott mir immer wieder bunte und ungewohnt geformte Puzzleteile. Überraschend und neu nehme ich sie aus Gottes Hand. Erst am Ende werde ich das ganze Bild kennen und bis dahin weiterpuzzeln an der Welt, die Gott mir schenkt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen